Zwei Themen sind in den Medien aktuell allgegenwärtig: die Pandemie und das Thema Nachhaltigkeit. Kein Wunder also, dass dies auch Auswirkungen auf den Onlinehandel hat und eCommerce-Trends ordentlich ankurbelt. Shopping per Livestream, das Revival der Second-Hand-Kultur und die Verschmelzung von online und offline – Live Commerce, ReCommerce und Hybrid Commerce kommen. Und das schneller als erwartet. Daher ist jetzt die Zeit, sich richtig aufzustellen, um möglichst früh davon zu profitieren.
1. Live Commerce: Teleshopping der nächsten Generation
In China hat sich Live Commerce rasant entwickelt. Innerhalb von wenigen Jahren ist es zu einem hoch relevanten Kanal geworden: 2020 haben dort zwei Drittel der Konsumenten Produkte über diesen Weg gekauft. In Deutschland ist da noch Luft nach oben, aber einige Marken haben das Potenzial schon erkannt: Laut einer Studie von Arvato Supply Chain Solutions waren 36% der befragten Unternehmen 2021 bereits in diesem Bereich unterwegs.
Doch was passiert beim Live Commerce genau? Influencer oder Mitarbeiter eines Unternehmens präsentieren in einem Livestream Produkte, die Zuschauer direkt kaufen können. Zuerst erinnert das vielleicht an die Dauerwerbesendungen von QVC und Co., die schon seit den 1980er Jahren bekannt sind. Aber beim Live Commerce kommt ein ganz wichtiges Element hinzu: Interaktionen. Die Zuschauer am Smartphone oder Laptop können mit Like-Buttons o.ä. direkt auf den Stream reagieren, Kommentare schreiben oder Fragen stellen, die live beantwortet werden.
In der Corona-Pandemie ist das Interesse am Shopping per Livestream gestiegen. Ein möglicher Grund: Viele Käufe haben sich durch die Lockdowns in die digitale Welt verlagert. Dabei bleibt die persönliche Beratung aber meist auf der Strecke. Durch Live Commerce kommt ein Stück davon zurück, die eigenen Fragen werden beantwortet, das Erlebnis wird emotionaler und unterhaltsamer.
Besonders die Generation Z ist empfänglich für Influencer und ist deshalb eine vielversprechende Zielgruppe für diesen Ansatz. Wenn Unternehmen ohnehin schon mit Influencern zusammenarbeiten, stehen diese vielleicht auch für ein Live-Format zur Verfügung. Dabei verbringen Zuschauer oft deutlich mehr Zeit mit der Marke, als wenn sie z.B. nur eine Anzeige sehen. Zeitlich begrenzte Angebote während des Livestreams erweisen sich außerdem als wahre Booster für die Conversion Rate. Zusätzlich sorgen Spiele oder Giveaway-Aktionen dafür, dass die Zuschauer länger dabei bleiben und eher zu Käufern werden.
Live Commerce steht in Deutschland noch am Anfang. Deshalb gibt es viele Möglichkeiten, neue Formate auszuprobieren und zum Trendsetter zu werden. ABOUT YOU hat mit dem Format schon vielversprechende Erfahrungen gemacht und erste Shows erfolgreich gestreamt. Engagement und Verkaufszahlen waren überzeugend. Mareike Jacobsgaard, Teamlead Drops & Marketing Exclusive Cooperations bei ABOUT YOU, erklärt: „Live Shopping wird auch in Zukunft eines der Fokusthemen für uns sein. Wir sehen hier vor allem Potenzial rund um unsere Exclusive Assortment Collections, die wir zusammen mit ausgewählten Influencern entwickeln.”
Wer selbst mit Live Commerce starten möchte, hat verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Integration eines Drittanbieters oder selbst entwickelte Module. Eine wichtige Voraussetzung ist aber ein flexibles Shopsystem, das headless und API-getrieben ist. Damit sind die technischen Voraussetzungen gegeben, um Livestreams ganz nach Wunsch und Bedarf anzubieten.
2. ReCommerce: Nachhaltigkeit im Onlinehandel
Auch das Konzept Second Hand ist nicht neu: Gebrauchte Produkte werden zu einem günstigeren Preis weiterverkauft. Den Sprung von den Vintage-Shops trendiger Nebenstraßen in den Onlinehandel hat Second Hand aber erst in den letzten Jahren gemacht. Daran hat sicher das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit einen großen Anteil. Viele Menschen sind außerdem durch die wirtschaftliche Unsicherheit in der Corona-Pandemie preisbewusster geworden und freuen sich darüber, hochwertige Produkte zu einem günstigeren Preis zu bekommen.
Der offizielle Begriff für diesen eCommerce-Trend lautet ReCommerce, die Kurzform von „reverse commerce”. Für Medien und Technik sind Unternehmen wie reBuy schon erfolgreich auf dem Markt. Im Fashion-Bereich schenken z.B. wir bei ABOUT YOU seit Herbst 2020 unter der Kategorie „Second Love” ehemaligen Lieblingsteilen ein zweites Leben.
ReCommerce hat gleich mehrere Vorteile und gehört deshalb zu Recht zu den großen eCommerce-Trends in 2022 und darüber hinaus:
- Der Fokus auf Nachhaltigkeit in den Unternehmenswerten stärkt das Image des Anbieters.
- Zusätzliche Kundengruppen lassen sich gewinnen, die sich z.B. die Produkte im neuen Zustand nicht leisten können.
- Die Kundenbindung wird gestärkt, z.B. durch Trade-ins, also die Inzahlungnahme älterer Produkte beim Kauf von neuen. So steigen die Interaktionen mit einem Kunden und er bleibt im eigenen Ökosystem, weil er z.B. Guthaben für den Shop erhalten hat.
- Der Weiterverkauf findet wahrscheinlich ohnehin statt – auf diese Weise erhält das Unternehmen aber seinen Anteil daran.
Vor allem jüngere Zielgruppen, die mit der Sharing Economy aufgewachsen sind und besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen, tragen zum ReCommerce-Wachstum bei. Und weil ihr Anteil an der Käuferschaft immer weiter steigt, ist für das nachhaltige Shoppen erst einmal kein Ende in Sicht.
3. Hybrid Commerce: Das Beste aus beiden Welten
Nicht erst seit Corona verschwimmen digitale und analoge Shopping-Erlebnisse. Auch davor haben Kunden sich schon online informiert, um später offline zu kaufen (ROPO: „research online, purchase offline”). Oder sie haben sich im Geschäft umgesehen und das Produkt günstiger im Internet bestellt – auch bekannt als Showrooming. In vielen Fällen bedeutete das, dass die Entscheidung für einen anderen Anbieter fiel, was für den ersten Händler natürlich höchst ungünstig war.
Hybrid Commerce kann dafür eine Lösung sein. Der Begriff bedeutet, dass das Einkaufserlebnis sich über verschiedene Kanäle erstreckt – online und offline. Die Pandemie hat die Entwicklung beschleunigt, indem z.B. stationäre Händler während der Lockdowns ihre Onlineaktivitäten verstärken mussten. Aber selbst unabhängig davon lohnt sich der Ansatz, die eigenen Kanäle zu erweitern. Im Fokus steht dabei das Kundenerlebnis. Es soll einheitlich sein und begeistern. Egal ob eCommerce-Unternehmen Filialen oder Pop-up Stores eröffnen oder stationäre Händler einen Onlineshop aufbauen bzw. erweitern: Sie haben die Chance, ihren Kundenstamm zu vergrößern und alle Kanäle anzubieten, die für sie sinnvoll sind.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie Händler online und offline verbinden können, unter anderem:
- Click & Collect: Der Kunde kauft ein Produkt online und holt es selbst in einer Filiale ab.
- Click & Reserve: Das Produkt wird online noch nicht gekauft, sondern nur reserviert. Der Kunde kann es im Laden begutachten oder anprobieren und bei Gefallen dort kaufen.
- Return in Store: Wenn ein online gekauftes Produkt nicht gefällt, wird es in der Filiale zurückgegeben oder umgetauscht.
- Ship from Store: Der Versand erfolgt direkt aus einer Filiale, die so zusätzlich als Mini-Logistikzentrum dient.
Dieser Einsatz lohnt sich: Hybrid Commerce ermöglicht eine echte Omnichannel-Strategie, die Verluste auf dem Weg verhindert. Wer lieber online bestellt und das Produkt geliefert bekommt, kann das nach der persönlichen Beratung im Geschäft beim selben Anbieter tun. Und wer die Ware vor dem Kauf gerne anfassen möchte, kann seine Favoriten in die Filiale bestellen und dort nur das Produkt auswählen, das am besten gefällt. Die Verbindung von digital und analog für ein bestmögliches Kundenerlebnis macht Hybrid Commerce zu einem der großen eCommerce-Trends der nächsten Jahre.
Die drei Trends können für Logistik und Prozesse anfangs herausfordernd sein. Und auch in anderen Bereichen treten ganz neue Fragen auf: Was ändert sich möglicherweise bei Bezahlung und Rückerstattung? Sind Angebote und Gutscheine überall gleichermaßen gültig? Was muss der Kundenservice wissen und beachten? Auf der technischen Seite kann das ebenfalls einige Herausforderungen mit sich bringen und nicht jedes Shopsystem ist ausreichend flexibel. Um diese Potenziale langfristig auszuschöpfen, braucht es also ein leistungsstarkes und skalierbares System und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen.